Azubis nicht alleine lassen!

Triggerwarnung: In diesem Artikel werden Verbreitung und Ursache von psychischen Problemen junger Menschen thematisiert. Solltest du hiervon betroffen sein, findest du am Ende Informationen zu Hilfsangeboten. 

Auch Ausbildung kann belasten –
Für eine bessere psychologische Beratung von Auszubildenden

Nicht erst seit der Pandemie sind junge Menschen oft einer besonders hohen psychischen Belastung ausgesetzt und häufig von psychischen Krankheiten betroffen. Seit 2005 ist in der Erfassung der Krankenkassen zu beobachten, dass die Diagnose psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen um ca. 40% angestiegen ist. Diese Daten geben aber nur einen sehr oberflächlichen Eindruck, da sie nur die diagnostizierten Fälle darstellen. Noch wichtiger ist aber zu schauen, wie junge Menschen ihre psychische Gesundheit beurteilen. 2014 gaben ca. 40 Prozent der Personen (im Alter 18-29 Jahren) in einer Befragung an, von einer psychischen Erkrankung betroffen zu sein. In keiner Altersgruppe haben dabei so viele Befragte eine negative Einschätzung ihrer psychischen Gesundheit abgegeben wie junge Menschen. In dieser Altersgruppe sind diese psychischen Probleme sogar einer der häufigsten Gründe für einen Krankenhausaufenthalt. 

Die Ursachen für die hohe Zahl psychischer Erkrankungen unter jungen Menschen sind vielfältig. Der Leistungsdruck steigt im Studium, in der Schule, auf der Arbeit oder während der Ausbildung. Mehr Leistung muss in einem kürzeren Zeitraum erbracht werden, häufig kommen noch wirtschaftliche Existenzängste hinzu. Darüber hinaus ist dieser Lebensabschnitt für viele junge Menschen mit wichtigen Veränderungen verbunden. Neben den vielen positiven Erfahrungen die z.B. mit der ersten eigenen Wohnung verbunden werden, stellen diese Veränderungen sie auch vor neue Probleme, wodurch sie zu psychischen Erkrankungen beitragen können. Existenzängste und Überforderung z.B. aufgrund finanzieller Probleme sind nicht erst seit der Corona-Pandemie existierende Herausforderungen. In der Ausbildung hängen Finanzen und Zukunftsperspektive untrennbar zusammen. Probleme in der Ausbildung können daher zu extremen Belastungen führen.

Ein Beratungsangebot nicht nur für Studierende – Beratungsstelle für Auszubildende schaffen 

Dieses Problem wurde bei Studierenden bereits zum Teil erkannt und untersucht (vgl. Barmer Arztreport von 2018). Dies spiegelt sich in Bremen z.B. durch den Betrieb einer psychologischen Beratungsstelle durch das Studierendenwerk wider. Für Auszubildende fehlt ein solches Angebot bisher. Für uns ist klar, dass auch Auszubildende sich in einem ebenso sensiblen Lebensabschnitt befinden wie Studierende. Aus diesem Grund fordern wir die Einrichtung eines psychologischen Beratungsangebotes ähnlich zu dem des Studierendenwerkes!

Wir halten es dabei für notwendig, dass so ein Angebot dezentral organisiert wird. Anders als Studierende sind Auszubildende in verschiedensten Ausbildungsstätten beschäftigt. Um ihnen einen einfachen Zugang zu ermöglichen, ist es wichtig, die Beratung flächendeckend an Standorten überall im Land Bremen anzubieten. Des Weiteren ist es uns wichtig, die Rechte und Privatsphäre der Auszubildenden im Blick zu behalten. Das heißt, dass eine Inanspruchnahme des Angebotes absolut vertraulich insbesondere gegenüber der Ausbildungsstätte behandelt werden muss. Dafür müssen Regelungen gefunden werden, die dies bestmöglich sicherstellen und Auszubildenden eine möglichst flexible Nutzung des Angebotes auch innerhalb der Arbeitszeiten ermöglicht. Unserer Auffassung nach lassen sich diese Punkte am besten umsetzen, wenn man diese Beratungsstellen in die Berufsschulen integriert oder in ihrem nahen Umfeld ansiedelt.

Beratungsstellen sind nur der Anfang – Angebote an die Bedürfnisse der Auszubildenden anpassen

Daneben ist uns wichtig, dass diese Beratungsstellen Angebote schaffen, welche sich an den Bedürfnissen der Auszubildenden orientieren. Dies beginnt bei der Gestaltung der Öffnungszeiten und erstreckt sich auch auf die Art der Beratungsangebote z.B. in Form spezieller Gruppenangebote. Dabei halten wir auch Online-Angebote für sinnvoll, um eine bestmögliche Beratung zu ermöglichen. Dabei ist es ganz egal, ob sich die Probleme erst durch die Ausbildung ergeben, da natürlich auch private Probleme (Existenzangst, Verschuldung, Trennungen oder der Verlust von nahestehenden Menschen) und Herausforderungen (z.B. die Pflege von Angehörigen) Einfluss auf die psychische Gesundheit haben können. Deswegen ist es aus unserer Sicht bei der Schaffung, der von uns geforderten Beratung, wichtig, diesen Punkt mitzudenken und eng mit den Schulsozialarbeiter*innen zusammenzuarbeiten.

Die bloße Schaffung eines solchen Angebotes reicht aber nicht aus. Vielmehr müssen junge Menschen auf die Angebote der Beratung aktiv aufmerksam gemacht werden und über die Bedeutung der psychischen Gesundheit aufgeklärt werden. Psychische Krankheiten bringen auch heute noch ein Stigma mit sich. Gerade bei Männern besteht – oft aufgrund veralteter Rollenbilder – eine erhöhte Gefahr, Anzeichen für eine mögliche psychische Erkrankung nicht ernst zu nehmen. Diese gesellschaftlichen Barrieren müssen abgebaut werden. Dafür ist es ebenfalls wichtig, Ausbilder*innen und Lehrer*innen in diesem Bereich weiterzubilden und für das Thema zu sensibilisieren. 

Wir sind uns dabei bewusst, dass ein solches Angebot keine umfassende Behandlung ermöglicht und vielmehr eine Erstberatungsstelle ist, die kurzfristige Unterstützung bietet und ggf. Auszubildende darin unterstützen kann, die richtigen Angebote zu finden. Für uns steht fest, dass der Nutzen einer solchen Beratungsstelle nur mit einem sowieso notwendigen Ausbau des Angebotes von Behandlungsmöglichkeiten und einer Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen möglich ist. Die Planungen der Krankenkassen zum Bedarf psychologischer Psychotherapie sind veraltet und müssen dringend erneuert werden. Psychologische Beratung darf nicht zu neuen finanziellen Ängsten führen! Die Krankenkassen müssen in Zukunft weitaus mehr Angebote fördern. Es muss eine zentrale Möglichkeit geben, Therapeut*innen zu finden, die noch Patient*innen aufnehmen. Häufig ist die Suche nach einem Therapieplatz eine Belastung an sich, wird abgebrochen und kann im schlimmsten Fall zu einer Chronifizierung der Krankheit beitragen.

Fazit

Junge Menschen haben ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken. Auszubildenden steht aber anders als Studierenden kein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Verfügung. Aus diesem Grund fordern wir den Aufbau einer Beratungsstelle für Auszubildende ähnlich dem Angebot an den Hochschulen in Bremen. Wir möchten dieses Angebot an und im Bereich der Berufsschulen ansiedeln, da wir denken, dass so am ehesten niedrigschwellige Angebote geschaffen werden können. Diese sollen sich dabei an den Bedürfnissen der Auszubildenden orientieren und vielfältige Ansätze und Methoden beinhalten. Die aktive Kommunikation dieser Angebote sowie die Thematisierung und Entstigmatisierung des Themas in der Ausbildung sind dabei elementar für das Gelingen unseres Ansatzes. Uns ist aber auch bewusst, dass dies nur ein erster Schritt hin zu einer besseren psychologischen Versorgung gerade von jungen Menschen sein kann. 

Hilfsangebote

Wenn akute Gefahr droht und sofort gehandelt werden muss wendet euch bitte an den Notruf der Rettungsdienstleitstelle unter: 112

Telefonseelsorge Bundesweit
kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222

Telefonseelsorge Bremen:
0800 – 11 101 11  (24 Stunden, kostenfrei; auch vom Handy)

Sozialpsychiatrischer und Kriseninterventionsdienst Bremen
0421 – 800 582 10 (8.30 bis 17.00 Uhr)
0421 – 800 582 33 (17.00 bis 21.00 Uhr sowie am Wochenende von 8.30 bis 17.00 Uhr)

Psychiatrische Ambulanz Bremen-Ost
0421 – 408 12 91
0421 – 408-0 Zentrale

Nächtliches Krisentelefon (GAPSY):
0421 – 95 700 310

Ärztlicher Notdienst:
Bremen-Stadt, Bremen-Nord, Bremerhaven: 
0421 – 116 117